Für den Einen war es nur so eine Radrennen, für den anderen der wahrscheinlich abgefahrenste Trip auf 2 Rädern und für noch einen anderen eine Reise zu den Ursprungstälern seines liebgewonnen schweizer Bergfahrrades.
Man kann es von allen Seiten betrachten, gleicht bleibt das Bild in unseren Köpfen vom perfekten Mountainbikerennen, der Antrieb für unser sportliches Engagement.
Es war gegen 17.00 Uhr als Stefan in Grimentz die Arme in die Luft riss und Luftküsschen an die Zuschauer verteilte und dabei das gleiche berauschende Gefühl wie Martin und Ronny erlebte, während sie das Ziel des diesjährigen Grand Raid in Grimentz erreichten. Dieser Rausch hielt noch während unseres gesamten Ausflugs ins Schweizer Wallis an und ich will versuchen zu berichten woher dieses Gefühl kam.
Dafür bedarf es jedoch einiger Disziplin um die vielen Eindrücke und Erlebnisse zu ordnen. Vorab kann ich nur jeden empfehlen sich nächstes Jahr auf in die Schweiz zu machen und an diesem Abenteuer teilzunehmen - es ist nicht auszuschließen das ihr die vier Protaginsten dieses Berichts jedes Jahr dort treffen werdet, wenn sie unter den französischen Anfeuerungsrufen (Bon Courage, Tres Bien, Allez Allez) der Einheimischen über die Strecke von Verbier nach Grimentz jagen.
Die zwanzigste Auflage des Grand Raid von Verbier nach Grimentz war das Ziel unseres selbstgewählten Saisonhöhepunktes. Warum es zum Höhepunkt unserer bisherigen Hobby-Karriere wurde, liegt wohl daran das wirklich alles an diesem Wochenende gepasst hat.
Zunächst ein zwar nicht sehr schnelles aber dafür sehr komfortables Wohnmobil das uns die 2300 Kilometer An- und Abreise ins Wallis brachte, bestückt mit bequemen Betten und reichlich Nahrhaftem für das "Carboloading" vor und nach dem Rennen. Selbst auf dem Rückweg kurz vor Dresden waren immer noch genügend Leckereien in den vielen Schubladen versteckt - dessen Fund mit "ALTER - die Geleebananen!" kommentiert wurde.Da jeder knapp 10.000kcal benötigt hatte um die 120 Kilometer lange und mit insgesamt 5430 Hm bestückte Strecke erfolgreich zu bewältigen, hatte der Körper das Sättigungsgefühl eh abgeschalten.
Le parcour - Gestartet wurde im Skiort Verbier. Unter Radsportlern bekannt als Etappenort der diesjährigen Tour de France. Notiz am Rande: Ziemlich interessant war es sich einen Schlussanstieg mal in echt anzusehen. Unser Fiat hat es ohne Pause jedenfalls nicht nach oben geschafft. Diagnose kurz unterhalb des Orts: Leicht erhöhte Temperatur. Der Lüfter sorgte jedoch für die notwendige Abkühlung.
Aber ich wollte mich ja disziplinieren und beim Wesentlichen bleiben. Zur Beschreibung der Strecke gehen mir wahrscheinlich die Adjektive aus. Überwältigend trifft es wohl am ehesten und das in jeder Hinsicht: Abfahrten, Landschaft, Betreuung, Wetter, Singletrails und der absolute Höhepunkt - die einstündige Schiebepassage.
Die Organisatoren haben vor 20 Jahren eine wirklich großartige Strecke für einen der ersten Mountainbike-Marathons in Europa rausgesucht. Wie ein klassisches Drama aufgebaut steigert sich die Qualität der Strecke von Anfang an. Zu Beginn eher anspruchslos, bis auf die Tatsache, dass es immer hoch oder runter geht führt die Strecke zum großen Teil über breite Schotterwege und kleine Straßen. Je weiter man kommt umso reizvoller wird es dann. Erstes Highlight ist dabei die Singletrail Passage entlang Gipfel des Mandelon und der Höhepunkt ist natürlich die Tragepassage bis auf knapp 3000m Höhe am letzen Anstieg.
Für viele Mountainbiker sicher nicht nachvollziehbar, aber für mich ist die Schiebepassage das besondere Highlight der Strecke, denn sie stellt eine Art Eintrittskarte in den Himmel der Mountainbiker dar, die man sich hart erkämpfen muss. Wie der Weg ins Schlaraffenland bei dem man sich auch erst durch die riesige Wand aus Grießbrei essen muss, sind die schottrigen Meter des Schlussanstieges. Es ist teilweise so steil, dass man jeden gemachten Schritt zurückrutscht und zu Beginn erscheint das Gipfelkreuz ewig weit entfernt. Doch irgendwie frisst man sich durch und oben angekommen öffnet sich ein traumhafter Blick welcher die Strapazen vergessen lässt und die schmerzverzerrte Miene weicht automatisch einem breiten Grinsen.
Das breite Grinsen wird man auch bis ins Ziel nicht mehr los. Die Strecke meiselt es einen ins Gesicht ohne dass man etwas dagegen tun kann. Nachdem man wieder auf seinem Rad sitzt, geht die Strecke auf schmalen Trails hinunter zu einem kleinen Bergsee.
Für den nun folgenden kurzen Gegenanstieg hatten wir den Rat Erfahrener Cristalp-Finisher befolgt und uns ein paar Körner aufgehoben. Das Finale ist dann die letzte Abfahrt mit Blick auf einen tief türkisfarbenen Stausee, dessen Schwierigkeit Stefan zutreffend so beschrieb:
"Man kann sich wegen des herrlichen Ausblicks einfach nicht auf die Strecke konzentrieren".
Unterhalb der Staumauer wird es dann noch mal etwas technischer mit mehreren Flussdurchfahrten und einer steilen Abfahrt ins Ziel. Glücklicherweise wurde vor dem Start jedes Rad mit Schweizer Präzision inspiziert, sodass man sich darauf verlassen konnte das auch am Ende die Bremsen noch halten.
Von der Zieldurchfahrt habe ich eingangs schon berichtet. Bei einem kühlen Bier saßen wir dann noch lange im Ziel und teilten unsere Eindrücke mit den anderen angereisten Fahrern aus unserer Heimat.
Ein großer Dank geht an Nadine, die uns während des Renntags betreut hat. Im nächsten Jahr wird dieses Posten wohl frei sein, weil Nadine sich auf dem Weg zum Tor in den Mountainbiker-Himmel machen wird.
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